Hessische Hausärzte wehren sich gegen kommunale MVZs

21. Mai 2021


Liebe Leser,  

 

der hessische Hausarztverband warnt vor Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen und Verstöße gegen den Grundsatz der Solidarität. Die Delegierten befürchten einen Verdrängungswettbewerb mit Steuergeldern zum Nachteil selbstständiger Hausärzte vor Ort.

Gleichzeitig formuliert im KBV Konzept 2025, die KVen müssten bei intersektoralen MVZs selbst in Vorlage als Arbeitgeber gehen, weil der Nachwuchs eher angestellte Funktionen bevorzugt und die selbstständigen Ärzte Angst vor Veränderung haben.

Selbstständige, gewinnstarke Kooperationsmodelle schaffen!

Es stellt sich die Frage, ob die KVen besser geeignet sind als Kommunen. Wahrscheinlich ist das Ganze aber eher Ausdruck von Angst aufgrund anstehender gesellschaftlicher Veränderungen. Schon das bisherige Zulassungsrecht gibt niedergelassenen Ärzten den Anspruch privilegiert vor einem kommunalen MVZ einen Abgebersitz zu erhalten. Nach dem Regensburger Rechtsgutachten zur Funktion kommunaler MVZs, das im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung erstellt wurde, sind die Kommunen aufgefordert, die niedergelassenen Hausärzte befragen, ob sie den Sitz übernehmen wollen.

Mit Delegation mehr Fallzahlen – ohne Zuwendungsverlust gewinnen.

Das Zukunftskonzept der KBV 2025 fordert, dass sich jetzt die Ärzte selbst über Delegation und Digitalisierung (Fernbehandlung/Telemonitoring) kooperativ in eine zukunftssichernde Regionalversorgung einbringen sollen.

Die KBV sagt klipp und klar: Hausärzte und Fachärzte der Grundversorgung müssen durch Delegation in Verbindung mit dem Hilfsmittel Digitalisierung selbst als Unternehmer dafür sorgen, dass es nicht zu Versorgungsengpässen im ländlichen und/oder sozialschwachen Ballungsraum kommt.

Die Kommunen reagieren nur auf den Druck der Bevölkerung. Sie wissen, dass sie im Betreiben eines Hausärzte-MVZs keine Kompetenz haben. Deshalb besteht – auch beim Finden von angestellten Ärzten – eine Schwierigkeit. Die Nachwuchsengpässe müssen mit überteuerten ärztlichen Personalvergütungen kompensiert werden. Diese verderben den niedergelassenen Ärzten ihre Gewinnkalkulation. Die Folge sind defizitäre kommunale MVZs und geringere Gewinnspannen im niedergelassenen Bereich.

Durch Delegation mehr Patienten mit weniger Ärzten besser und intensiver versorgen!

Die niedergelassene Ärzteschaft muss unternehmerisch mit den nicht geliebten Hilfsmitteln Delegation und Digitalisierung die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Insbesondere, wenn es jetzt bis 2030 zu einem Überangebot abgebender, älterer Praxen kommt. Ansonsten, - so die Einschätzung der KBV - geht der Deutsche Bundestag in der nächsten Legislaturperiode mit CDU und Grünen den Weg, den nichtärztlichen Gesundheitsberufen die Möglichkeit zu geben direkt mit den Krankenkassen abzurechnen. Dies würde eine Änderung des Gesetzes zum Nachteil der niedergelassenen Ärzte / Einrichtungen bedeuten

50% Rückenschmerz-Patienten kann Hausarzt- und Orthopäden-Praxis verlieren!

Wenn Physiotherapeuten, Pflege, Akustiker, Optiker und Physician-Assistant diesen Schritt gehen dürfen, sinken mit Sicherheit die Fallzahlen und das Einkommen der etablierten, aber extrem kleinteiligen und höchstpersönlich ausgerichteten Ärzteschaft massiv.

Neue Aufgabe der Berufspolitik:

Wohnortnahe Grundversorgung durch Delegation dem Berufsstand erhalten:

Jammern und nicht handeln sind auch bewusstes aktives Tun. Die gleiche Kraft, die man zum Jammern oder zum Nichtstun einsetzt, sollte in neue, selbstständige unternehmerische Strukturen gepackt werden. Nur dies würde 2/3 der niedergelassenen Ärzte klarmachen, dass nur 1/3 der Kollegen diesen Schritt erfolgreich gehen können. Dahinter steckt ein extrem tiefgehendes emotionales Problem. Der höchstpersönliche Handlungsstil, auch bei Kontrolluntersuchungen sich umfassend selbst einzubringen, entstand aus dem Überangebot an Ärzten und der damit verbundenen Preiskalkulation im EBM zu Ende des letzten Jahrhunderts.

Notwendig: Eine lokale Kraftanstrengung für eine digitale und delegative Arztpraxis.

Es gelang der Berufspolitik durch das Konzept alles so weit wie möglich auch im Delegationsbereich höchstpersönlich zu erbringen, viele Kollegen in gut bezahlte ärztliche Selbstständigkeitspositionen zu bringen. Dieser kleinteilige Zuwendungs- und höchstpersönliche Betreuungsstil gilt es im multiprofessionellen Team zu modifizieren und das Höchstpersönliche auf den Arzt bezogene Praxiskonzept durch Delegation und Bindung an die nichtärztlichen Praxiskräfte zu ersetzen

Lieber Direktzugang zu Physiotherapeuten/Pflege als wie ein Neuanfänger unsicher zu sein?

Die Alternative ist aber dann eher sich durch den Direktzugang der Patienten zu den Heilhilfsberufen durch Unterlassen eigner Angebote zu entscheiden als sich selbst auf einen Neuanfang mit der Unsicherheit wie bei der eigenen Niederlassung einzulassen. Denn sowohl Delegation wie Digitalisierung sind grundlegend andere Elemente als die, mit denen man bisher gearbeitet hat. Es sind tatsächlich extrem unangenehme Handlungsalternativen, die sich im Moment für die Zukunft des ärztlichen Berufsstandes entwickeln. Für diejenigen, die sie gehen können und wollen sind es große Chancen. Denn Beispiele wie das MVZ Birkenallee zeigen, dass damit wesentlich höhere Fallzahlen bewältigt werden können, die auch einen größeren Praxisgewinn gewährleisten.

All dies kann aber wahrscheinlich im Aussprechen der unangenehmen Realitäten eine Berufspolitik nicht ausreichend leisten.

 

Seminar:

Wachstumschancen durch Digitalisierung und Delegation - Zukunftsfähigkeit jetzt gestalten! 

https://www.arztrecht.de/service/seminare/delegation-digitalisierung-06-2021/

Datum: 09. Juni 2021

 

Über e-mail oder Anrufe würde ich mich freuen.

Ihr

 

Hans-Joachim Schade
Rechtsanwalt und Mediator
Fachanwalt für Medizinrecht
hjs@arztrecht.de


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