"Der Arztberuf stellt besondere Anforderungen an die charakterliche Eignung" - Urteil vom 20.11.2017, L 11 AK 807/16

19. Februar 2018


Die Mitarbeiterinnen eines thüringischen Vertragszahnarztes entdeckten 2017 eine versteckte Kamera in ihrem Umkleideraum. Über sechs Jahre hinweg hatte die Kamera dem Arbeitgeber ohne das Wissen der MFA Bilder vom täglichen Umkleiden geliefert.

Der Berufungsausschuss der Kassenzahnärztlichen Vereinigung entzog dem Zahnarzt seine Zulassung. Eine Klage dagegen wurde vom Sozialgericht Gotha abgewiesen, gleichzeitig jedoch die Revision zugelassen, da zwar klar ist, dass einem Vertragsarzt die Zulassung zu entziehen ist, wenn er "seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt" (SGB V), aber zu klären war, wann die Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als gröbliche Pflichtverletzung anzusehen ist.

Das Thüringer Landessozialgericht bestätigte, dass der Arzt aufgrund der gröblichen Pflichtverletzung für die vertragszahnärztliche Tätigkeit ungeeignet sei. Der Senat folgte nicht der Auffassung des Arztes, dass schwere Pflichtverstöße nur in Bezug auf die Patienten oder die vertragszahnärztliche Versorgung begründet sein können. Diese können sich auch aus dem Verhalten gegenüber den Praxisangestellten ergeben. 

Die Anfertigung unerlaubter Bildaufnahmen in der Umkleidekabine stelle einen erheblichen Eingriff in die Intim- und Privatssphäre der Mitarbeiterinnen dar und in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, in der Schwere vergleichbar mit einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Der Arzt habe seine Arbeitgeberstellung für einen schweren Eingriff in die Grundrechte seiner Mitarbeiterinnen missbraucht. Daraus folge seine Ungeeignetheit für die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Der Arztberuf stelle besondere Anforderungen an die charakterliche Eignung.

Dr. Florian Hölzel
Rechtsanwalt und Mediator
Fachanwalt für Medizinrecht
hoelzel[at]arztrecht.de


 


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