31 Wochenstunden Arbeitszeit reichen nicht für die Umwandlung in die Freiberuflichkeit – der bayerische Sonderweg

11. Februar 2015


KVen und Gerichte lassen sich scheinbar immer wieder Neues einfallen, um die Praxisführung des Vertragsarztes so kompliziert, wie möglich zu machen. Das zeigen die Vorgaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) zur Umwandlung einer genehmigten Anstellung in eine Zulassung. Mindestens 40 Wochenstunden muss ein angestellter Arzt beschäftigt werden, damit eine Umwandlung in eine volle Zulassung genehmigt wird.

Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurde 2012 die Möglichkeit eingeführt, genehmigte Anstellungen in Zulassungen umzuwandeln (§ 95 Abs. 9b SGB V). Voraussetzung ist laut Gesetzestext lediglich, dass der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem halben oder ganzen Versorgungsauftrag entspricht.

Die Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) konkretisiert in § 21 Abs. 5 die Voraussetzungen des § 95 Abs. 9b SGB V. Erforderlich ist lediglich, dass die für eine Umwandlung vorgesehene Arztstelle mit einem Versorgungsgrad von 1,0 gezählt wird. Dies entspricht einer Arbeitszeit von mehr als dreißig Wochenstunden (§ 58 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie) und wird in der Bedarfsplanungs-Richtlinie als Vollbeschäftigung definiert.

Für den medizinrechtlichen Praktiker, wie auch viele Zulassungsausschüsse im Bundesgebiet, scheint die Rechtslage klar. Nicht so in Bayern: Die KVB fordert, in Anlehnung an eine im einstweiligen Rechtsschutz ergangene Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 14.02.2012, Az.: L 12 KA 145/12), dass die für eine Umwandlung vorgesehene Arztstelle mit mindestens 40 Wochenstunden ausgefüllt worden sein muss.

Argumentiert wird mit der Gesetzesbegründung zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz. Diese ist aber mehr als widersprüchlich, verlangt der Gesetzgeber doch zunächst, dass der angestellte Arzt für die Umwandlung in eine volle Zulassung genauso viel arbeiten müsse, wie ein niedergelassener Arzt mit entsprechendem Versorgungsauftrag. Dessen freiberufliche Wirklichkeit ist jedoch eher von einer 60-Stunden-Woche geprägt, so dass die Einhaltung dieser Vorgaben einen Verstoß gegen zwingendes Arbeitszeitrecht bedeuten würde. Dies scheint auch dem Gesetzgeber bewusst zu sein, so dass in der weiteren Begründung nicht mehr auf den Freiberufler, sondern auf den in Vollzeit beschäftigten Angestellten abgestellt wird. Was er unter „Vollzeit“ versteht, lässt der Gesetzgeber jedoch offen.

Das Bayerische LSG und die KVB ziehen nicht die explizite Regelung in der Be-darfsplanungs-Richtlinie heran, sondern nehmen Bezug auf tarifvertragliche Regelungen und die dort vereinbarte vierzig-Stunden-Woche. Die auch für andere Kassenärztliche Vereinigungen zwingend erscheinenden Vorgaben des GBA werden mit dem Argument ausgehebelt, der Gesetzgeber habe in seiner Begründung zu § 95 Abs. 9b SGB V nicht explizit auf die Bedarfsplanungsrichtlinien verwiesen. Daher käme diesen keine Bedeutung zu, soweit es um die Definition des Begriffs „Vollzeit“ gehe.

Im Ergebnis führt der bayerische Sonderweg für niedergelassene Ärzte und Medizinische Versorgungszentren mit angestellten Ärzten wieder einmal zu neuem Planungsaufwand. Im Vorfeld geplanter Umwandlungen muss in Bayern auf die rechtzeitige Vereinbarung und Genehmigung der notwendigen Mindestarbeitszeit von 40 Wochenstunden geachtet werden. Ob sich Kassenärztliche Vereinigungen im übrigen Bundesgebiet dieser Sicht anschließen werden, bleibt abzuwarten.


Dr. Florian Hölzel
Rechtsanwalt und Mediator
Fachanwalt für Medizinrecht
hoelzel@arztrecht.de


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